Mit Hundeschlitten vom Wild and Free Arctic Camp durch die Arktis in Alaska
450 Kilometer abseits jeglicher Zivilisation verbringen wir – das sind fünf Alaska-Entdecker und drei Alaska-Guides – fünf Tage mit Brent Sass und seinen Hunden in der Arktis. Was wir im Vorhinein an Spannung, Neugierde, Vorfreude auf die Reise, aber auch an Respekt vor dem Abenteuer empfunden haben, löst sich hier in einen entspannten, ruhigen und ausgelassenen Zustand auf. Denn im Camp kann man einfach leben und sein, wie man gerade will. So viel schon einmal vorweg.
Wir treffen mit unseren Hundeschlitten – vier kleinen »Kick-Sleds« mit je vier Hunden und dem großen »Touristen-Schlitten« von Brent Sass – bestens gelaunt im Wild and Free Arctic Camp ein. In Alaskas Abendsonne sieht es wirklich ganz bezaubernd aus: Ein ganzes Schnee-Paradies-Dörfchen hat Brent hier mit samt seinen Hunden errichtet. Seit vielen Jahren kommt er zum Frühlingsbeginn in dieses Gebiet in der Arktis, etwa 8 Meilen vom Galbraith Lake entfernt, um sich und seinen Hunden nach den großen Rennen in Alaska, dem Iditarod und dem Yukon Quest, eine Auszeit zu gönnen – und immer nimmt er auch einige Puppies mit ins Camp, die er während der Trainingsphase für die Rennen seinen Handlern überlassen hat. Sein Anspruch, jedem Hund seines Kennels genügend Aufmerksamkeit und Erziehung zu geben, ist wirklich etwas ganz Besonderes.
Ankunft, Abend und Nacht sind geprägt von der Vorfreude auf die Hunde, das Camp und natürlich die erste Fahrt für alle. Doch seht erst einmal, wo wir ankommen:
Arktis Deluxe – das Camp in der Weite im nördlichen Alaska
Das Camp besteht aus fünf Walltent-Zelten, einem großen Dogyard in der Mitte, einem separaten »Schneebecken« für die Puppies, mehreren in den Schnee gegrabenen »Gefrierschränken« für die vielen Lebensmittel und einer durch eine Schneewand abgetrennten »Toilette«, die wir aufgrund der eingesetzten Schneeschmelze täglich wieder erhöhen. Das Wohn- und Küchenzelt ist mit einer grünen, teppichähnlichen Plane ausgelegt, hat einen Gasherd mit zwei Platten und einen Ofen, der das gesamte Zelt und die Töpfe warmhält. An Ausstattung und Lebensmitteln fehlt es an nichts – ein Campingtisch, eine kleine Bar, Kisten und Campingstühle zum Sitzen vor und im Zelt machen diesen Ort zu einem gemütlichen Platz zum Come-together zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Im zweiten Walltent daneben wohnt Brent Sass, in einem weiteren, das unterhalb des Dogyards liegt, eine befreundete Musherin, die mit ihren elf Hunden täglich zur Karibujagd hinaus fährt – mit großem Erfolg. Unser Reiseleiter Murkel, der Gründer von murkl.com, entscheidet sich, wer hätte es anders erwartet, für die Outdoor-Variante und stellt sein mitgebrachtes Mountain Hardwear Zelt ganz ohne jeden »Ofen-Schnörkel« direkt neben dem Wohn- und Küchenzelt auf – für die Wärme sorgt auf einfachste, aber effektive Weise das auf dem Camp ausreichend vorhandene Stroh.
Die beiden verbleibenden Zelte sind für die restliche Gruppe vorgesehen: Kathi, Jonas, Marlis und ich beziehen das 4er-Zelt, in dem Kathi sogleich zur »Heating-Queen« ernannt wird. Tatsächlich müssen wir uns nie Sorgen machen, dass es einmal zu kalt würde in unserem gemütlichen Zuhause. Danke, Kathi! Die beste Isolierung in den Zelten tut ihr Übriges – »Luxus-Camping« in der Arktis ist daher durchaus unser Motto. Claudius und Josh Horst, neben Murkel und Brent unser dritter Guide, der sich neben den logistischen Dingen auf die smarteste Weise auch um alle sonstigen Belange von uns und den Hunden kümmert, teilen sich das 2er-Zelt. Eine tolle Kombi, die beiden – zwei echte Pack-an-Männer unter sich, wie sich bei all den Todos im Camp herausstellen wird.
Wild and Free: Ohne Zeit und Raum in Alaska
Spätestens am ersten Morgen beginnt für uns dann das Leben im Wild and Free Arctic Camp in Alaska. Die Weite der Arktis zeigt schnell ihre Wirkung bei uns allen – nämlich eine unglaubliche Ruhe und Aus- bzw. Gelassenheit, je nachdem, in welcher Tages- oder Nachtform man sich gerade befindet. Schnell ist klar, dass nichts auf die Minute geplant werden muss und es sehr in Ordnung geht, wenn man einfach in den Tag hinein lebt.
Noch dazu ist auch hier der Frühling wider Erwarten bereits ausgebrochen. Von wegen Skihose und Mütze: Die Sonne wärmt schon so stark, dass der Schnee tagsüber schmilzt und vor allem Josh und Claudius bemüht sind, die Dogyards mit ausreichend Schneewänden aufrecht zu erhalten. Und so sah das dann aus – Kommentare sind wie immer sehr herzlich willkommen.
Der Schnee ist schon am ersten Tag sehr sulzig tagsüber und auch für die an Kälte gewöhnten Hunde ist das Laufen unter der bereits wärmenden Sonne nicht gerade gemacht. Somit verbringen wir die Tage auf dem Camp und starten unsere Ausfahrten am Abend – ob es 7 oder 9 Uhr wird, spielt auch an dieser Stelle keine Rolle. Was zählt, ist die Intensität, mit der man die jeweiligen Dinge erlebt – ob Schneeschuhwandern, mit den Puppies spielen, auf dem Camp arbeiten, Essen zubereiten, abwaschen oder einfach im Liegestuhl in der Sonne liegen. Alles ist gut, jede Idee willkommen, aber kein Muss.
Wild and Free: Die erste Hundeschlitten-Ausfahrt
Vor den Testausfahrten am ersten Abend nach unserer Ankunft beeindruckt es uns schon sehr, mit welchem Gespür Brent Sass seine Hunde für uns auswählt. Denn für ihn ist klar: Die Hunde vor unserem Schlitten werden uns die nächsten Tage begleiten – vor dem Schlitten, im Dogyard, beim Streicheln, Spielen und vor allem beim Vertrauen gewinnen füreinander. Wie viel das zählt, merke ich als ungeübte Skifahrerin besonders. Denn sobald man mit den Tieren eine Beziehung aufgebaut hat, klappt es auch mit der Kontrolle des Schlittens, selbst wenn man keinerlei Erfahrung mitbringt.
Brent und Josh nehmen sich viel Zeit, um uns in einer theoretischen Trockenübung die »Sled-Kicks« zu erklären. Für diejenigen unter uns, die den »Sled-Kick« mit drei bis vier Hunden schon bei der Ankunft am Vorabend bis ins Camp gefahren haben, nämlich Jonas, Claudius und Marlis, ist es gut zu wissende Theorie nach der Praxis, für alle anderen die beste Trockenübung vor dem Start.
Immer gut festhalten, Abstand halten, die Bremse nicht vergessen und nach dem Hintermann schauen – das sind die wichtigsten Regeln beim Hundeschlitten fahren in der Kolonne in der Arktis und in Alaska.
Und dann geht es auch schon los, die Proberunden um den gefrorenen See beginnen. Kathi und ich dürfen als Erste starten, weil wir beim Ankunftstrip im »Touristen-Schlitten« saßen. Wie schweißtreibend Hundeschlitten fahren sein kann, wird uns erst jetzt so richtig klar. Balancieren und dabei aufrecht stehen bleiben, während der Schlitten macht, was er will, ist eine weitere wichtige Erkenntnis für uns. Nach ein paar weiteren Proberunden auch der Jungs unter uns, die ja schon »Semi-Profis« sind, machen wir uns auf den Weg zu einer ersten längeren, sehr ebenen Einsteiger-Tour. Großartig! Unsere Hunde scheinen genauso zu genießen wie wir. Die Natur um uns herum ist einfach gigantisch. Viel zu früh kehren wir gegen Mitternacht ins Camp zurück. Nach einigen spannenden Geschichten der Guides über Begegnungen mit Wölfen und Bären auf zahlreichen Karibu-Jagden wundert sich Jonas gegen 3 Uhr morgens, dass er noch immer seine Sonnenbrille auf der Nase hat – Alaska ohne Zeit und Raum.
Wild and Free: Mit den Hunden über Alaskas ewig weite Trails
Die Touren in den nächsten Tagen steigern sich in allem: Länge, wechselnde Böden von Schnee über Erdhügel, verschiedenste Aussichten, Karibu-Beobachtungen, steigende Fitness und schlussendlich Genuss auf allen Ebenen. Brent Sass hat auch bei der Auswahl der Tourengebiete immer das perfekte Händchen, selbstverständlich auch dank Josh und Murkel, mit denen er sich bespricht. Während Josh vor und nach den Hundeschlitten-Trips der Gruppe vor allem mit seinen technisch-sportlichen Tipps zur Seite steht, bemüht sich Murkel, die Bedürfnisse eines jeden Einzelnen auf den Touren zu kombinieren. Daraus ergibt sich für uns eine tatsächlich rundum perfekte Mischung, die es uns sehr leicht macht, Alaska samt Wildnis auf die sanfteste Art kennen und erleben zu lernen.
Keiner von uns will Abschied nehmen von diesem Ort, den Hunden, der Einsamkeit hier, die eigentlich gar keine ist. Viel zu schnell sind die fünf Tage Arktis vergangen. Unmerklich und doch nachhaltig hat uns die Faszination Alaska eingeholt.